Für J'N'C Magazine / Illustration: Frauke Berg
(Auszug) Wenn wir eines mit unserem Aufzug nicht erreichen wollen, dann, dass andere über uns lachen. Mode darf alles sein; provokativ, skandalös, skurril, fremd, ja selbst unzumutbar. Nur witzig darf sie nicht sein. Fröhliche Kleider sind ja so provinziell. Wird ein Outfit als lustig bezeichnet, ist dies eine nette Umschreibung für ‚nicht gekonnt‘. Wenn Mode zum Schmunzeln anregt, hat sie ihre besten Zeiten längst hinter sich. Dabei – so sagen Psychologen und Mediziner – lässt uns der Humor nicht nur zufriedener und smarter, sondern auch schöner durch die Welt gehen. Warum also nimmt sich die Mode so furchtbar ernst? Oder verstehen wir ihre Späße nur nicht?
Neulich übernahm ich das ehrenvolle Amt, als Teil einer Jury Arbeiten von Modestudierenden zu bewerten. Manche waren gut, andere weniger. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir jedoch eine Kollektion, die an gedankenloser Hässlichkeit kaum zu überbieten war. Ohnehin schon minderwertige Stoffe wurden mit der Nähmaschine zu textilen Gebilden zusammengefügt, die mir weder tragbar noch sinnhaft erschienen. Und während ich mich darum bemühte, meine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bringen, lauschte ich der tiefernsten Schwurbelei über den geistigen Überbau der Arbeit, von dem der Student äußerst eloquent zu erzählen wusste. Diese Situation war mit Abstand die komischste, die ich seit Langem erlebt habe. Und zwar, weil das Gesagte und das Gesehene so weit auseinandergingen.
„Humor ist das umgekehrt Erhabene. Er erniedrigt das Große, um ihm das Kleine, und erhöht das Kleine, um ihm das Große an die Seite zu setzen“, so das Plädoyer des Schriftstellers Jean Paul, die Dinge mit mehr Heiterkeit anzugehen. Erscheint uns ein Übel zu groß, setzen wir neue Maßstäbe à la ‚es könnte noch schlimmer sein‘, und schon relativiert sich nahezu alles. Auch wenn die besagte Präsentation ein klassisches Beispiel für ungewollte Komik ist: Die im besten Wortsinn absurde Idee, die offensichtlich dilettantische Kollektion auf eine Stufe mit echter Qualitätsarbeit zu stellen, hat mich dennoch fasziniert. Warum? Weil sie die Erhabenheit der Mode grundsätzlich zur Disposition stellt.
Mich erinnerte die Situation an einen Sketch von Hape Kerkeling für seine Sendung ‚Total Normal‘. Darin verkörperte Kerkeling einen polnischen Opernsänger, der ein experimentelles Musikstück vortrug, welches mit einem lauten „Hurz“ endete. Die besondere Würze dieser gelungenen Parodie auf die (pseudo-)intellektuelle Kunstszene: Das Publikum lauschte der Darbietung mit wohlwollender Anerkennung. Hätte mein Studierender seine Präsentation mit einem lauten „Hurz“ beendet, wäre die Arbeit sicher mit der Bestnote bewertet worden. Allerdings nicht als Modekollektion, sondern als künstlerisches Werk, dessen Verdienst darin bestanden hätte, die allzu übertriebene Ernsthaftigkeit der Branche zu persiflieren. Denn Mode muss vorrangig den Körper schmücken und darf ihn – aus welchem Grund auch immer – nicht verunglimpfen. (...)